Viele Eltern leben mit dem Gefühl, ständig hinterherzuhinken. Sie denken, sie müssten einfach nur konsequenter sein, klarere Regeln aufstellen, häufiger Grenzen setzen, disziplinierter auftreten. Die Hoffnung dahinter:
Wenn das Kind sich endlich besser benimmt, kehrt auch zu Hause endlich Ruhe und Harmonie ein. Also wird der Ton schärfer, es werden Konsequenzen eingeführt, Zeitpläne erstellt, Regeln aufgestellt.
Und dennoch, es funktioniert nicht. Im Gegenteil: Die Stimmung wird angespannter, die Konflikte häufen sich, der Druck steigt. Nicht nur beim Kind, sondern vor allem bei den Eltern.
Viele Eltern stehen abends erschöpft in der Küche oder liegen wach im Bett und fragen sich leise: Warum klappt das bei uns nicht? Warum werde ich so schnell laut? Warum fühle ich mich so oft wie ein Versager, obwohl ich doch alles richtig machen will? Und genau hier liegt der blinde Fleck, der wahre Grund für die täglichen Konflikte mit deinem Kind liegt nicht beim Kind.
Sondern in dir. In deinen alten Verletzungen. In unbewussten Schutzmechanismen. In dem, was du selbst nie lernen konntest: Wie man mit Stress, innerer Überforderung, Wut oder Hilflosigkeit gesund umgeht.
Denn wenn dein Kind schreit, trotzt, provoziert oder sich verweigert, dann ist das nicht nur ein Erziehungsmoment. Es ist oft ein Triggerpunkt. Etwas in dir wird berührt , ein alter Schmerz, eine Erfahrung aus deiner eigenen Kindheit, eine Überforderung, die du nie ausdrücken durftest. Und ehe du dich versiehst, übernimmst nicht du das Steuer, sondern ein altes Muster. Du wirst laut. Du ziehst dich zurück. Du reagierst hart. Nicht, weil du das willst, sondern weil dein Nervensystem in einen automatischen Überlebensmodus schaltet.
Dein Kind versteht das nicht. Aber es spürt es. Es spürt deine Anspannung, deine Unsicherheit, deine innere Zerrissenheit. Und es reagiert darauf – mit Widerstand, Rückzug oder Wut. Nicht, weil es schwierig ist, sondern weil es dein inneres Chaos spiegelt. So entsteht ein Kreislauf:
Du fühlst dich getriggert, dein Kind reagiert, die Situation eskaliert, du fühlst dich schuldig ‒ und nimmst dir vor, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Aber es passiert wieder. Und wieder.
Und trotzdem versuchen viele, das Problem im Verhalten des Kindes zu lösen, mit mehr Regeln, mehr Konsequenzen, mehr Kontrolle. Doch genau das greift zu kurz. Denn echte Veränderung beginnt nicht außen, sondern innen.
In dem Moment, in dem du aufhörst, dein Kind als das Problem zu sehen und beginnst, liebevoll und mutig auf deine eigenen Reaktionsmuster zu schauen. Denn nur, wenn du dich selbst verstehst, kannst du dein Kind wirklich erreichen.